Gartenherzschlag

58 zu beantwortende Mails am Tag, 60h, 6 Tage, wenn dann noch Ärgernisse, Rückschläge und Frust hinzukommen und sich das Gefühl manifestiert, man müsse sich vierteilen, um allem gerecht zu werden, was auf den eigenen Schreibtisch getragen wird, kommt man samstags abends zu dem Schluss: Es läuft überhaupt nicht rund.
Kommt das irgendwie bekannt vor?
Wenn man dann sonntags morgens aus einem kurzen komatösen Schlaf aufwacht, ist alles schlagartig aus dem Kopf verschwunden: Es ist Gartentag.
Ganz ehrlich, würde man mich dann im Laufe des Tages irgendwo zwischen den Sträuchern in den Beeten aufgabeln, ich wüsste überhaupt nicht mehr, worüber ich mich als letztes geärgert habe, so weggetreten bin ich manchmal, regelrecht entrückt. Hinter dem Gartentor herrscht Ruhe. Da gibt es nur Pflanzen, Tiere und mich. Manchmal noch den Mitbewohner als erwünschten Gast. Ich gehöre dann meinem Projekt, meiner Idee vom grünenden, blühenden Kraut- und Küchengarten. Ich spüre auch die Zeit nicht mehr. Sie vergeht zähflüssig und unbemerkt und wenn dann der Mitbewohner plötzlich mit Brezel und Erfrischung am Gartenzaun steht, weil Mittagszeit ist, wundere ich mich... Auch die Prioritäten verschieben sich dann. Die Fragen nach Saattiefe und Keimdauer sind relevant, wie man Gießwasser sparen könnte und wieviel Rankhilfe die Erbsen wohl brauchen. Von 2.0-Problemen zu den grundsätzlichen Fragen von leben oder nicht leben. Hortus creationis - hortus felix.

Der Sonntag war so ein Tag, an dem ich der schalen Welt abhanden gekommen bin. Schon beim Frühstück zappelig, weil draußen die Sonne schien und dann endlich: Gartentor zu, Ruhe.
Es war wahrlich ein Großkampftag und das musste es auch sein, denn erst am Ende des Monats werde ich wieder Zeit haben, wirklich zu buddeln. Und so begann der Gartentag wie immer mit Beete "entzwiebeln". Danach habe ich endlich gesät: Erbsen, Melde, Haferwurz und Möhrchen, außerdem Rettich und Radies. Dann wurden die jungen Zwiebeln gepflanzt.
Am Mittag kam sie dann zum Einsatz: meine neue, sündhaft teure Schweizer Gartenschere, die im Gärtlein zukünftig alles durchbeißen soll, vor allem die Rosen. Sie schneidet wunderbar, aber dennoch nicht von selbst. Kleine Pfoten müssen da trotzdem kräftig zupacken, wenn die Äste dicker sind. Aber sie wird ihr Geld wert sein. Mit ihr habe ich die Rabatte aufgeräumt, die Rosen gestutzt und alles alte, vertrocknete an den Sträuchern weggeschnitten. Aus dem Altholz wurde dann kurzerhand eine Rankhilfe für die Erbsen. Nichts ist befriedigender, als wenn aus vermeintlichem Abfall eine kreative Idee entsteht.

Der Küchengarten Anfang April
Erbsen gesät

Erbsen- und Salatbeet

Experiment: mit Unkrautlaub gemulcht

Die wild am Beetrand wuchernden Tulpen geben dem Garten einen gewissen Charme

Die Ackerbohnen
*Salatleuchten*: Der Pflücksalat im Abendlicht


Das größte akute Problem war der Wassermangel. Die Leitung war noch vom Winter zugedreht und ich hatte keinen Zugang zum Absperrhahn... die Regentonne war aber nach zwei Gießkannen schon leer! Das ließ sich inzwischen immerhin lösen, denn zumindest die Aussaaten brauchen zum Start ein bisschen Wasser. Aber in dem Moment begreift man, wie essentiell eine Wasserquelle ist und wie *aufgeschmissen* man ist. Kein Wasser, kein Gemüse.

Zum guten Schluss hatte ich mir einen leichten Sonnenbrand eingefangen. Typischer Fehler zum Saisonauftakt: die Sonne habe ich total unterschätzt, im Gegenteil richtig genossen, mich einmal durchgrillen zu lassen.

Am Abend spürt man dann jeden Knochen, aber das ist ein sicheres Zeichen, dass man lebt :-)


Kommentare

  1. schön wie du das im Garten erschreibst. Aber du Arme hast ja kaum Zeit für dieses Hochgefühl. Das ist doch echt blöd oder? Ich brauche meine Gartentage mehrmals die Woche und bin genervt, wenn ich die nicht einhalten kann.Ich fühle mich im Garten ebenso wie du, keine Zeit, die man spürt, fast keinen Hunger, den man merkt. Nur der Garten und du. Einfach nur herrlich und wenn dann das Wetter so toll ist, wie am Wochenende ist es ein gelebter Traum. Einen Sonnenbrand habe ich übrigens auch.

    Liebe Grüße der Achim

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  2. Lieber Achim,
    dachte ich mir doch, dass du dich da einfühlen kannst. Vermehrte Grantigkeit tritt bei mir auch auf, wenn ich mal die Wochenenden durcharbeite und überhaupt nicht in den Garten komme. Aber - um auf deine Zweifel am Bloggen zu kommen - daran merkt man doch, dass man in seinem Blog schreibt, weil man Gartenlust und -freude empfindet und nicht etwa gärtnert, weil man im Blog was zu schreiben haben möchte. Der Garten würde uns kein bisschen weniger am Herzen liegen, wenn außer uns von ihm niemand wüsste. Aber ich kann dieses Bedürfnis sehr gut verstehen. Ich träume davon, dass mein historischer Kraut- und Küchengarten eine kleine Institution im Dorf wird, ein offener Garten, der von den zahlreichen Touristen, die im Sommer hier durch wandern, radeln, mit Bussen anreisen, wahrgenommen wird und auch erkundet werden kann. Ich würde gerne den Menschen etwas mitgeben, ihnen ins Bewusstsein rufen, was sie da vor sich sehen - und da kommt wieder der Weltverbesserer durch - oder wenigstens ihnen einen Moment des Innehaltens verschaffen, wenn sie den Anblick einer kleinen, funktionierenden heilen Welt genießen.
    Lange Rede, kurzer Sinn: das Schreiben über den Garten ist nicht alles und vielleicht nicht einmal immer das richtige. Sei es eine Blogging-Pause oder aber ein Formatwechsel: hast du mal darüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben? Oder einen größeren Artikel? Ein Bildband? Oder vom Schreiben weg: du hast ja etwas anzubieten; einen Garten und jede Menge Erfahrung darin. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, die Erfahrung anders an den Mann/die Frau zu bringen. Oder aber: du lehnst dich zurück und bloggst entspannt weiter. Die Frage, ob es jemand liest, hat sich ja wohl beantwortet. Und dieser Kram mit dem Datenschutz... nun ja, es wird nicht leichter, aber strenger als bei gewerblichen Blogs sind die Bestimmungen für unsere kleinen Gemüseberichte auch nicht.
    Ich werde mich daher an größeren, etablierten Blogs orientieren, was Pflichtangaben etc. angeht.
    Liebe Grüße,
    C.

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    1. Oh ja Cecilia und wie ich an diesen von dir erwähnten und so schön formulierten "Formatwechsel" auch schom mal gedacht habe. Buch schreiben, Bildband herausgeben etc pp. wie gerne würde ich, aber ich bräuchte jemand der mich an die Hand nimmt. Ich selbst habe davon keine Ahnung und wüsste auch gar nicht was genau ich da bebildern oder beschreiben soll. Anders als im Blog. Es gibt ja so viele Tips, wie man Ideen für Blogartikel findet und Schreibblockaden überwindet und derlei Kram mehr. Ich frage mich dann immer warum einer einen Blog schreibt, wenn er nichts zu sagen hat? Naja im Blog habe ich nie, nie, nie ein Problem was zu finden, worüber ich schreiben könnte. Im Gegenteil. Und doch gartle ich nicht, um was für den Blog zu haben. Sondern ich habe den Blog wegen dem Garten. Hätte ich keinen Garten würde ich auch keinen Blog schreiben und wiederum hatte ich früher schon diese brennende Gartenfreude und Lust auch ohne blog und überhaupt Internet. Jetzt aber wo ich die Freude am Bloggen über den Garten gefunden habe möchte ich nur noch Garten UND Blog haben.

      Und ja ich lese und modifiziere und hoffe immer alles bedacht zu haben bis 25.5.

      Die Idee mit deinem zentralen Gärtchen finde ich übrigens klasse. Mach das, diesen offenen Raum für Begegnungen. Und Besuch ist ja in eurem Ort immer, jetzt ist wieder eine Messe im Schloss habe ich gehört .

      Hoffe wir hören weiter voneinander, liebe Grüße und ganz viele schöne Tage im Garten wünscht der Achim

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